Fährt man durch das nördliche Bistumsgebiet von Münster fällt bei genauerem Hinsehen auf, dass sich in dieser Region nur wenige Kirchen erhalten haben, die wesentlich älter als 150 Jahre sind. In der Zeit vor und nach 1900 wurden in fast allen Orten, die aus dem Mittelalter stammenden Dorfkirchen durch größere Gotteshäuser ersetzt, erweitert oder neu erbaut. Ab 1850 - 60 setzte sich hier der Historismus durch. Vorrangig beherrschten vor allem die Baumeister Johann Bernhard Hensen, Heinrich Flügel, Joseph Alexander Niehaus und Franz Xaver Lütz diese Architekturlandschaft, vereinzelt arbeiteten jedoch auch Architekten wie Hilger Hertel d.Ä., Hilger Hertel d.J.,, August und Wilhelm Rincklake, Carl Emil von Manger und Ludwig Becker aus dem westfälischen Bereich in diesem nördlich gelegenen Teil der Diözese.
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Zu klein, zu alt, zu weit entfernt
Die Gründe für Neubauten und Veränderungen sind zahlreich. Teils waren die vorherigen Kirchen in die Jahre gekommene Fachwerkbauten und daher sehr baufällig. Ältere Kirchenbauten und Kapellen konnten nicht mehr alle Kirchgänger aufnehmen und die Anwohner der entlegenen Bauernschaften mussten teilweise sehr weite und beschwerliche Wege zur nächsten Pfarrkirche zurücklegen, die häufig zu Beginn des Winters zunehmend schlechter begehbar wurden. So konnte mancher Katholik während eines sehr harten Winters oft monatelang nicht den Gottesdienst besuchen.
Die Einwohner des Ortes Osterfeine strebten schon seit 1839 den Bau einer eigenen Kirche an, da der Weg bis zur nächsten Kirche in Damme annähernd zwei Stunden in Anspruch nahm. Ein weiterer aufgeführter Grund für eine eigene Pfarrei und Kirche war, dass die Männer oft auf dem weiten Weg veranlasst würden, in den vielen Wirtshäusern zu Damme einzukehren, hier am Branntwein sich labten und dann mehr oder minder berauscht, erst am späten Abend vom Kirchgang heimzukehren.“ 1855 erfolgte die Genehmigung für die Konstituierung einer Kapellengemeinde durch den Großherzog von Oldenburg.
Aber nicht nur die stetig steigende Bevölkerungszahl wurde als Motivation für einen Neubau vorgebracht. In der Gemeindechronik Garrel wird zusätzlich folgender Grund benannt:
„Als nun auch noch die Mode Reifröcke für die Frauen brachte, wurde das Gedränge in der engen Kapelle unerträglich. Daher zogen es (…) viele vor, den Gottesdienst unter den schattigen Bäumen vor der Kapelle zu feiern.“
Neben den schon aufgeführten Motivationen wird auch sicherlich der Prestige- und Konkurrenzgedanke als Antrieb für den starken Zuwachs an neuen Kirchbauten eine Rolle gespielt haben. Die eigene Kirche sollte noch schöner und noch größer als die der Nachbargemeinde sein. Polemisch formuliert könnte man sagen, dass der Sakralbau „in Mode“ kam.
Grundbautypen
Bis ins 19. Jahrhundert war die Saalkirche der gebräuchlichste Typ für kleinere Dorfkirchen in ländlichen Regionen. Erhaltene Beispiele im Oldenburger Münsterland sind die Kapellen in Sevelten (12. Jahrhundert), Bokelesch (12. - 13. Jahrhundert) und Vestrup (17. Jahrhundert). Keine ist in ihrem reinen, ursprünglichen Zustand belassen, da sie alle im Laufe der Zeit umgebaut, vergrößert, erneuert – also letztendlich den jeweiligen liturgischen Erfordernissen angepasst worden sind. Hallenkirchen wurden meist in Städten oder größeren Ortschaften errichtet. Spätgotische Hallenkirchen innerhalb des Oldenburger Münsterlandes oder auch im benachbarten Emsland finden sich noch in Vechta, Meppen, Quakenbrück und Haselünne.
Protestantische Sakralbauten
Die Zahl der katholischen Neubauten im 19. Jahrhundert überstieg bei weitem die der protestantischen Bauten. Vielerorts wurden für den evangelischen Gottesdienst fast ausschließlich die seit alters her bestehenden, zum großen Teil aus dem Mittelalter stammenden Bauwerke genutzt. Lediglich wenige Neubauten stammen aus der Zeit von 1840 - 1880. Beispiele sind die Kirchen in Goldenstedt (1846 - 50), Wulfenau (1852), Neuenhaus (1891 beendet) und die evangelische Kirche in Cloppenburg (1857). Die 1857 im neogotischen Stile erbaute Kirche in Cloppenburg entspringt den Plänen des Bremer Architekten Simon Loschen (1818 - 1902). Bei dieser Kirche mit einem kurzen Schiff und dem sehr breiten Querhaus, die einen zentrierten Einheitsraum suggeriert, kann man den Einflüssen der protestantischen Kirchbaurichtlinien fest machen. Sie bleibt in der Region ohne direkte Nachfolge. Heute ist das Äußere der Kirche stark verändert.
Die Durchsetzung des neugotischen Stiles wurde in starkem Maße seitens der oberbischöflichen Behörde unter Johann Georg Müller, Bischof von Münster 1847 - 1870 und dessen Diözesankonservator Johann Bernhard Zehe (1822 - 1871) angetrieben. Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. soll ihn sofort nach seiner Bestätigung im Bischofsamt mit folgenden Worten beglückwünscht haben:
"Sie kommen in ein beneidenswertes Bistum; dort finden sie ein echt katholisches, beideres Volk."
Die vorhandene Literatur charakterisierte den aus dem Rheinland stammenden Bischof Müller als „kunstkundig“ und „ebenso baukundig wie bauwillig“, da der Bischof im gesamten Bistumsgebiet Münster während seiner 22- jährigen Amtszeit 73 neue Kirchen und 96 Restaurierungen, Erweiterungen und Umbauten an Kirchen unternehmen ließ. Im Oldenburger Münsterland sind etwa 50 % der katholischen Kirchen innerhalb seiner Episkopatszeit entstanden.
Eine neue Welle des Kirchenbaus, eigentlich die Hauptwelle im Oldenburger Münsterland, setzte erst wieder mit dem übernächsten Bischof Hermann von Dingelstadt (1889 - 1911) ein. Jener ließ während der eigentlichen Bauboom-Phase um die Jahrhundertwende insgesamt etwa 130 Neubauten und Veränderungen vornehmen. Im benachbarten Dekanat Hümmling wurden in der Zeit von 1821 bis 1899 nur 17 Neubauten errichtet.
Kulturelle Verflechtungen des Oldenburger Münsterlandes
Insbesondere kultur- und kunsthistorische Eindrücke und Verbindungen aus Westfalen haben die Kunstlandschaft in Niedersachsen und die dort arbeitenden Architekten beeinflusst. Die deutlichste Verbindung zeigt sich in der Sakralarchitektur. Prägnantes Exempel ist das Motiv der dreischiffigen Hallenkirche.
Vorbildlich für die Hallenkirchen dürften gerade die gotischen, westfälischen Hallenkirchen der Bischofstädte Münster (St. Martini und Liebfrauen Überwasser) und Osnabrück (St. Johann, St. Marien und St. Katharinen) gewesen sein. Sie gehören zu den bedeutendsten Hallenkirchen des 13. - 15. Jahrhunderts im norddeutschen Raum.
Ein zeitnaher Nachfolger des westfälischen Hallentypus findet sich innerhalb des Oldenburger Münsterlandes in Vechta. Die heutige Probstei St. Georg wurde 1452 begonnen und gehört der spätgotischen Phase an. Die Kirche besitzt einen für den westfälischen Hallenkirchentypus üblichen dreischiffigen, vierjochigen Rechteckgrundriss und eine polygonale Apsis im Osten. Das relativ breite Mittelschiff wird mit einem verhältnismäßig niedrig angesetzten Kreuzrippengewölbe, ähnlich dem eines Domikalgewölbes, auf sechs stark untersetzten Rundpfeilern überfangen. Die backsteinerne Kirche erhielt im Westen einen mächtigen vorgestellten Turm mit quadratischem Grundriss, dessen Obergeschoss und die achtseitig geschweifte Haube mit offener Laterne 1712 - 23 erweitert wurden. Die Seitenschiffe sind mit Quersatteldächern übergiebelt.
Basilika Emstek – Eine Kirche mit Prädikat
Das Kirchspiel in Emstek besteht seit über 1200 Jahren. Aus dem Jahr 855 stammt die älteste urkundliche Erwähnung. Die Gemeinde ist gleichzeitig eine der ältesten Mutterpfarren des Lerigaus. Nach Visbek ist sie die zweite Pfarre gewesen, von der die Christianisierung in dieser Region ausging. Die heutige Kirche, geschaffen nach Johann Bernhard Hensens Plan, ist vermutlich die dritte Steinkirche an demselben Ort. Ihr Standort nimmt die höchste Erhebung des Dorfes Emstek ein und fungiert als Mittelpunkt der Gemeinde.
St. Margaretha in Emstek wurde in den Jahren 1862 bis 1865 als neugotische Backsteinkirche errichtet. Divergent von der sonst üblichen Grundform, die der Architekt J.B. Hensen für seine Kirchenbauten wählte, der Hallen- oder Saalkirche, ist diese Kirche als Basilika mit offenem Strebewerk ausgestaltet und bildet damit innerhalb des Oldenburger Münsterlandes eine Sonderform.
Die ebenfalls von Hensen errichtete Kirche St. Maria Himmelfahrt (1861 – 64) in Osterfeine erhielt den ursprünglich ebenfalls für Emstek geplanten kleinen Dachreiter über der Vierung.
In Emstek konnte dieser aufgrund statischer Schwierigkeiten in den Jahren 1862 - 63 und der dadurch drohenden Gefahr eines Einsturzes nicht errichtet werden. Eine alte Planungsskizze für den Kirchenbau von Hensen zeigt, dass dieser in der Planung noch vorgesehen war.
Hensen schaffte es dem Turm eine rhythmisch ausgewogene und wohldurchdachte Proportionierung zu geben. Der Blick wird von Westen her in die Höhe gelenkt, was nicht zuletzt durch den voluminösen, mächtigen Westturm in der Mitte der Westanlage und die Staffelung der Strebepfeiler, die sich nach oben hin verjüngen, erreicht wird. Horizontale Akzente durch Gesimse, gerade Fensterstürze und die niedrige Balustrade des vierbahnigen Maßwerkfensters setzte er gegen die aufstrebende Vertikalbewegung und gelangt so zu einem harmonischen und ausgewogenen Gefüge. Nicht umsonst zählt die Kirche St. Margaretha zu einer der schönsten und ästhetisch anspruchsvollsten Kirchen in der Diözese.
St. Joseph in Lüsche (1864/65)
Die Kapelle St. Joseph in Lüsche ist eine durch Wandpfeiler gegliederte backsteinerne, neuromanische Saalkirche. Sie wurde ebenfalls von Hensen, der ab Mitte 1860 als Dombaumeister in Osnabrück Restaurierungsarbeiten durchführte, erbaut.
Die Kapelle wurde in ihrem Erscheinungsbild in den 30er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts stark verändert. Eine ältere Fotografie aus dem Prunkbuch „Zum 25 jährigen Regierungs – Jubiläum S. K. H. d. Großherzog Nikolaus Friedrich Peter" vom katholischen Klerus des Herzogtums von 1878 zeigt die Kirche noch in dem Zustand, in dem der Baumeister sie ursprünglich geplant hatte.
Heute besitzt das Kirchenschiff zwei überbreite, jedoch kurze tonnengewölbte Joche. Daran schließt sich ein sehr breites, ausladendes Querhaus an. In den 30ern wurde aus Platzgründen das einfache Querhaus zu einem firstbündig übergiebelten Risalit-Doppelquerhaus vergrößert. Ob der Chorbereich rechteckig geschlossen war oder ob er einen anderen Schluss besaß, ist auf dem Foto von 1878 nicht eindeutig zu bestimmen. Heute ist es ein tonnengewölbter Rechteckchor mit neuzeitlichem Sakristeianbau und Taufkapelle aus den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts.
St. Bartholomäus in Essen/Oldenburg "Der Essener Dom" (1870 - 1875)
Die St. Bartholomäus Kirche in Essen wird allgemein als das Hauptwerk des Architekten Johann Bernhard Hensens im Oldenburger Münsterland angesehen. Sie wurde nach dessen Tod im Januar 1870 durch den Architekten Ernst Klingenberg (1830 - 1918) aus Oldenburg mit lediglich leichten Veränderungen errichtet.
Der als „Essener Dom“ bezeichnete Bau enthält zum einen mehrere, typische Merkmale des Dombaumeisters, zum anderen finden an diesem Gebäude neue Gestaltungsmerkmale Anwendung, die diese Kirche als Besonderheit im Oldenburger Münsterland auszeichnet.
Die aus rotem Backstein errichtete neugotische Hallenkirche weist anders als die vorherigen Hallenkirchen Hensens im Oldenburger Münsterland einen kreuzförmigen Grundriss auf. Im Osten schließen sich nach dem Querhaus mit Vierung ein Vorchorjoch mit seitenschiffsbreiten, quadratischen Nebenkapellen, der Chor mit 5/8 Schluss und ein ungewöhnlich niedriger, überhaupt zum ersten Mal auftauchender Chorumgang an.
Diese Hallenkirche besitzt anders als die übrigen Kirchen des Oldenburger Münsterlandes ein backsteinsichtiges Inneres. Das heißt, die Bündelpfeiler, die Gewölberippen, die Gurt- und auch Scheitbögen sind in Backstein belassen. Häufiger findet man Hensens Hallenkirchen von Innen gänzlich verputzt.
Karin Dieckmann
Oldenburger Münsterland
Ausstellungen im Oldenburger Münsterland
Museum im Zeughaus, Vechta: TYPO-SAFARI VECHTA“, ab 5.4.
Mal auf anderen Wegen durch die Stadt: Schriften sind ein grundlegender Baustein unseres Alltags, doch werden diese oftmals nicht bewusst wahrgenommen. Die Studierenden des Faches Designpädagogik der Universität Vechta, bieten mit der Ausstellung „TYPO-SAFARI VECHTA“ einen neuen und künstlerischen Blickwinkel auf unscheinbare Orte und Sehenswürdigkeiten der Stadt. Folgen Sie uns auf den Wegen typografischer Momente und wir versprechen Ihnen, es steht nicht nur Schwarz auf Weiß.
Vechta, Kunstverein Kaponier: Mäder-Gutz / Meydan, 12.4.-5.5.
Ellen Mäder-Gutz: Zentraler Bezugspunkt für das Schaffen der in Freyenstein, Vechta und Berlin lebenden Künstlerin ist die Natur: Organisches, vor allem Florales und darin vorzugsweise Blüten. Emre Meydan: Seine Arbeiten stellen menschenleere Innen- und Außenräume dar, die auf ihre Essenz reduziert werden. Architektonische Details, wie Wände und Ecken, werden als geometrische Formen abgebildet. Die gemalten Licht und Schatten erzeugen zusätzliche Farbflächen. Mehr…
Ausstellungen im Nordwesten
In einer breit angelegten Epochenausstellung wird die Zeit zwischen der...
Rote Watte. Gustav Kluge (*1947) ist zunächst als Maler bekannt; mit seinen...